Seit Wochen greife ich zum ersten Mal zur Tastatur um zu schreiben. Auch wenn ich der Worte noch so arm bin. Aber seit sieben Tagen steht die Welt Kopf, es ist Krieg, Baby, und er lässt einen nicht kalt. Und es hört einfach nicht auf, das Schießen, Bomben, das trotzige Sich wehren, die zerrissenen Familien, die geflüchteten Frauen, Mütter, Kinder. Ich kann die Berichterstattung nicht mehr aushalten, ich informiere mich zwar, aber nur noch in kleinen Dosen. Seitdem geht es meinen Innereien wieder besser - aber schon schleicht sich das schlechte Gewissen ein. Darf es mir gut gehen, während es anderen so beschissen geht? Und schon frage ich mich weiter: wieso gerade jetzt? Wieso reagiere ich bei diesem Krieg so extrem und nicht bei Bildern aus Syrien?
Vielleicht weil ich Freunde habe, die aus der Ukraine kommen. Weil ihre Sorge mir näher geht? Oder weil ich selbst schon einmal in Kiew war - und mich sehr genau an die Reise erinnern kann. Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass ich dort schwarz gefahren bin, im Bus. Ich habe wahrscheinlich das Bezahlsystem nicht verstanden. Es tat mir leid, damals. Es war der Eurocon gewesen, den wir besucht hatten. Leider haben wir von der Stadt nicht viel gesehen aber die riesigen Wohnanlagen auf dem Weg von Kiew nach Borispil haben mich nachhaltig beeindruckt. "Die Liebesmaschine" entstand auf diesem Weg. Vielleicht aber auch, weil Putin Russlands abschreckende Waffen in höhere Alarmbereitschaft versetzt hat. Dazu möchte ich an dieser Stelle nichts weiter sagen. Ich will weder meine Phantasie noch meine Angst weiter befeuern. Aber es gibt auch andere Baustellen: es steht eine große Sanierung meines Dentalgebälks an. Anfang soll eine großräumige Extraktion machen, Danach das Einsetzen der Provisorien, einen Monat später dann das finale Basteln. Die Zahn-OP wird in Vollnarkose durchgeführt, weil ich ein Schisser vor dem Herrn bin. Und das führt zu der weiteren Angst, die latent in meinem Hinterkopf lauert. Vollnarkose. Ich habe Angst, dass ich nicht mehr aufwache. Dabei sagt mir jeder, ich brauche mir keine Sorgen machen und inzwischen bin ich auch nicht mehr ganz so panisch wie am Anfang, als ich wirklich Sterbensangst hatte. Die Sorge, wie das alles bezahlt werden kann. Die hat sich inzwischen erledigt, alles bewilligt und parat. Diabetes. Wert nicht mehr bei 6,8 sondern bei 7,1. Das ist mehr als von meinen Ärzten gewünscht, aber weniger schlimm abgewatscht wie ich befürchtet habe. Denn um ehrlich zu sein - mein Essverhalten ist schlimm geworden. Aber meine Kraft erschöpft sich in Sorge und Angst, da bleibt wenig nur übrig für Essverhalten. Ach schitte...
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AutorMme Augenfisch, Jahrgang 74, lebt und liebt sowohl Mann als auch den Salonlöwen in Düsseldorf. Archiv
Dezember 2023
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