Es ist Samstagmorgen, noch früh, aber ich bin wie gewohnt wach, nicht zuletzt weil mein Kater mich energisch geweckt hat. - Eine halbe Woche Arbeit liegt hinter mir, ich bin offiziell wieder in den Schoß meines Teams zurückgekehrt und habe dort meinen Platz eingenommen. Der erste Tag war Vollpower, am zweiten Tag habe ich nach Stunde sechs von acht etwas geschwächelt. Und an Tag drei habe ich gemerkt, dass es doch eine ganz andere Sache ist, diszipliniert seinen Job durchzuziehen, als dieses relativ strukturlose in den Tag hineinleben, dass ich sechs Wochen praktiziert habe. Das ich auch gebraucht habe, um wieder auf die Beine zu kommen. Aber um ehrlich zu sein, manche Dinge kann man lieb gewinnen und so habe ich tatsächlich vermisst, dass ich mich bei Bedarf auf meine Couch zurückziehen kann.
Auf der anderen Seite ist es einfach toll, wieder eine Aufgabe zu haben, Verantwortung zu tragen, mit den Kunden zu sprechen, in direkten Kontakt mit ihnen zu treten. Es sind besondere E-Mails, die im Hinterkopf verbleiben, weil sie kurios sind, weil sie eine Herausforderung darstellen. Es ist das Lachen in der Stimme eines Anrufers oder das Erleben, wenn er sich von einem gehetzten in einen entspannten Gegenüber verändert und zufrieden aus dem Gespräch herausgeht, die einem sagen: Das hast du gut gemacht. Ich mag meinen Job - das habe ich in den letzten drei Tagen wieder erleben dürfen. Und das mit dem Durchhalten, das bekommen wir schon noch hin. Ist alles eine Sache der Gewöhnung. Heute Nachmittag fahren wir zu Freunden und brechen damit unseren kleinen Kokon auf, in dem wir uns so brav eingestrickt haben. Kaum aus der Tür gehen, nur hin und wieder zum Einkaufen, sonst aber keinen Kontakt außer uns beiden, dem Holden und mir. Ich freue mich schon sehr auf die beiden. Und ich freue mich besonders, weil ich mit klarem Kopf und offenem Herzen zu ihnen fahren kann und nicht vernebelt bin von schlechten Gedanken. Fazit: Es geht mir gut. It's approved. Und für gut befunden.
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Wenn ich früher mein Ergo to go Programm gestartet habe, habe ich meistens gemalt. Entweder Steine angemalt oder Leinwände, aber immer habe ich gezeichnet und mit Farbe um mich geworfen. Auch dieses Mal verschönere ich. Allerdings mich. Ich nutze seit Tagen nun schon Morgens eine mattierende B&B Cream, ich gestalte die Augenbrauen, lege gerne auch mal einen Eyeliner auf - aber vor allem nutze ich jetzt : Lippenstift.
Und zwar den Superstay Matte Ink. Einmal getrocknet, färbt er nicht ab, die matte Textur ist genau mein Ding und die Farben? Zwei sind zurückhaltend, aber die anderen beiden knallen ordentlich. Und das ist genau das was ich jetzt brauche. Alles was gut tut, was nach vorne geht, was aktiviert. Ich merke genau, wie es mir damit gut geht. Ich fühle mich schön. Ich mag mich. Und ich bin mir wieder wichtig geworden. Also in meinem Fall ist Kosmetik nicht nur dekorativ, sondern zu einem gewissen Grad auch heilsam. Hätte ich so auch nicht gedacht, wenn ich es jetzt nicht so erleben würde. Und hier sind meine derzeitigen Lieblinge: Ja, zur Zeit liegen sie im Ofen und bräunen vor sich hin. Ich backe quasi schon wieder. So wie vorgestern - da wurden es ein Käse - und ein Apfelkuchen vom Blech. Das ist immer ein gutes Zeichen. Ich werde wieder aktiver, kann Dinge angehen und geplant durchführen ohne in eine Krise zu stürzen. Und kann die Zeit mit dem Holden und / oder den Freunden tatsächlich genießen, während wir die Backwaren goutieren.
So gesehen geht es gut und wird stetig besser. Es ist als ob ich den Kopf wieder herausstrecke aus dem Düstersumpf, der mich die letzten Wochen umschlungen und niedergezogen hat. Ja, ich strecke den Kopf wieder raus, es ist kühl am Hals, und ich sehe mich mit offenen Augen um und es gefällt mir was ich sehe. Und ich kann wieder lächeln, es tut gar nicht mehr innwendig weh, wenn ich es versuche. Die Obacht, ob das alles nur ein rarer Glücksmoment sei, tritt immer mehr in den Hintergrund. Lässt mich allein mit meiner Freude an dieser neu gewonnenen Klarheit. Bedrängt mich nicht mit ihren Sorgen. Das ist gut. Das tut gut. Aber jetzt ab zu den Croissants. Ich habe Hunger - und noch nicht gefrühstückt. Das holen wir mal fix nach. Montag, Dienstag, das waren gute Tage. Da fühlte es sich an, als ob alles auf einem guten Weg sei und mit einem Fingerschnippsen fiele die Welt wieder in ihren geregelten Platz und Lauf und alles wäre gut und stark und stabil. Und dann kommen die Tage so wie heute, die ohne den Bedarf nicht vorstellbar sind.
In der Tat, es ist wieder besser als vor ein paar Wochen, aber es ist immer noch nicht gut. Viel zu schnell werde ich wieder von den Füßen gerissen, viel zu schnell verliere ich die Fassung, die Contenance, den Glauben in mich selbst. Und dann sitze ich wieder im Sessel, mit pochendem Herzen und schmerzendem Solar Plexus, dann ist der Druck wieder so groß, dass ich kaum Luft bekomme. Aber ich bekomme Luft, irgendwie dann doch. Dennoch, ich kann es mir kaum eingestehen, dass auf jeden Fortschritt, ein halber Rückschritt erfolgt. Ich werde ungeduldig mit mir und böse auf mich. Und dann bocke ich. Heute kamen zwei Armbänder zu meinem bereits Vorhandenen hinzu. Joybands. Die Firma hat neben wunderbaren Produkten einen tollen Claim. Ich sollte mich danach ausrichten. Verkehrt klingt es nicht. Aber seht selbst. Ich habe eben den Text dieses Liedes gegoogelt - und dabei festgestellt, dass es sich hier um eine Trennung handelt. Das ist bei mir aber so überhaupt nicht aktuell, deswegen hier die Entwarnung. Ich geb' doch nicht meinen Holden her! Und dennoch, mir fliegt seit gestern nur diese eine Zeile durch den Kopf: Denn ich liebe das Leben.
Das ist doch ein schönes Mantra. Ich liebe das Leben. Ja. Denn eigentlich tue ich das. Selbst in den tiefen, dunklen Momenten gibt es diesen einen Funken, auch wenn er nicht immer erkennbar ist, auch wenn er nur ganz schwach glimmt. Und das Wörtchen "Denn" bezeichnet den leichten Trotz, der in dieser Aussage enthalten ist. "Denn ich liebe das Leben" - egal, was für ein Scheiß kommen mag. Ich strampele mit Beinen und Armen und rudere irgendwie aus dem Modder heraus, in dem ich manchmal, immer wieder mal, feststecke und feststecken werde. Heute ist das Ufer meines Tümpels gefühlt ein ordentliches Stück näher gerückt, ich kann den Grund erahnen. Ich hoffe nur, dass ich nicht wieder in den Schlamm gesogen werde, sondern dass ich endlich wieder ans Ufer krabbeln kann. Langsam wird's Zeit. Und ich fange mit einem Besuch bei meinem Diabetologen an. Heute am Vormittag habe ich einen Termin ergattern können. Das ich das endlich in Angriff genommen habe, habe ich gestern schon gefeiert. Im Augenblick muss ich alles feiern, was klappt. In diesem Sinn, feiert das Leben und behaltet euer Lächeln. Wofür lohnt es sich zu sein? Warum das Leben wählen? Ich glaube, für mich ist es das Lachen, das meine Existenz wertvoll macht. Aber im Augenblick lache ich nicht viel oder oft oder laut oder herzhaft. Ich möchte es gerne, aber ich schaffe es kaum aus mir selbst heraus. Meine Schwester schafft es immer wieder, mir diese leichten Momente zu schenken, mein Holder auch hin und wieder. Aber oftmals sehe ich in den Spiegel, sehe diese unendliche Traurigkeit, die in den Augenringen lauert und frage mich, wie ich die wohl wieder vertreiben kann. Aber sie ist hartnäckig, klebrig, stark haftend. Und sie hat eine Verbündete im Gepäck - die Hoffnungslosigkeit. Jetzt, in Woche 4 habe ich noch keinen Plan, wie ich diesen Zustand in den Griff bekommen kann.
Dabei ist heute so ein Tag, an dem eigentlich nichts doof ist. So von außen gesehen. Von innen gesehen könnte ich den ganzen Tag schlafen, den Umstand verdrängen, dass meine Mutter heute Geburtstag hätte und ich oder der Holde und ich zu ihren Ehren irgendwo in Europa unterwegs wären - Strasbourg, Den Haag, Lüttich. Dabei möchte ich raus, möchte irgendetwas zu ihrem Gedenken tun, aber es gibt ja nichts was man tun könnte. Vielleicht zum Rhein gehen? An fließendes Wasser? Das wäre vielleicht eine Möglichkeit. Wie sehr wünschte ich mir, dass ich in irgendein Café flüchten könnte und dort einen prima Mutter- Tochter- Talk hielte. In aller Stille. Ich wünschte, wünschte, wünschte... Nach zwei Tagen Video Tagebuch, zurück zum guten alten Blog. Das hält mehr fest als den puren Augenblick. Nehmen wir gestern zum Beispiel - ich hatte einigermaßen gut geschlafen, Aufstehen, fertigmachen, anziehen, anhübschen - all' das hatte geklappt und ich bin euphorisiert in den Hofgarten marschiert. Wieder zurück, teilte ich den Besuchern meiner Facebook Seite per Video mit, dass es mir gut ginge, dass ich hoffnungsvoll in die Zukunft blickte und all so was. Das stimmte auch so, in diesem Augenblick.
Mittags habe ich dann entdeckt, dass Oscar sich auf meinem Kopfkissen erbrochen hatte - schlimm genug für den Lütten, da gab es keinen Zorn von meiner Seite. Also Bettwäsche wechseln, reinigen. Gesagt, getan, ich fand aber kein passendes Set im Schrank vor, stattdessen nur Chaos und lauter Uralt Einzelsets - und geriet darob in einen hysterischen Anfall. Am Schluss haben wir dann doch ein Set zusammengefunden, das Bettzeug neu bezogen. Ich lag aus tiefster Seele heulend darinnen, denn beim Beziehen merkte ich, wie der Reißverschluss aus Altersgründen nachgab. Es war nicht perfekt. Es war nicht so, wie ich es mir gewünscht hatte. Und schon bin ich wieder zusammengeklappt. Am Schluss war ich von mir selbst enttäuscht, dass ich nicht über den Dingen gestanden habe. Dass meine ganze positive Energie vom Morgen sich an lumpiger Bettwäsche erschöpft hatte. Ich musste eine Bedarfstablette nehmen. Habe dann aber später am Abend das Fernsehprogramm abgebrochen und bin ins Bett gegangen. Ich bin jetzt zum dritten Mal aufgewacht und dachte mir - okay, dann bleibe ich jetzt wach. Dabei bin ich eigentlich tierisch müde. Aber dieses ständige rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln nervt einfach nur. Ich weiß nicht, wie der Tag werden wird. Ist mir auch gerade scheißegal. Hauptsache er geht rum. ... Zurück aus dem Bad, wieder etwas angehübscht, immer noch nicht wissend, wie es weitergeht, wahrscheinlich erstmal den Kater füttern, aber was dann? Mir fehlt die Inspiration, mir fehlt die Konzentration, mir fehlt die Motivation. Und zu alledem: meine Mutter hätte morgen Geburtstag gehabt. Wir hätten das Leben gefeiert. Ist nicht mehr... Sie fehlt mir. So kam ich mir heute vor. Nach einer Nacht, die man auch wohlmeinend nur als suboptimal bezeichnen könnte, schlief ich bis in den halben Vormittag hinein. Danach Dusche, Zurechtmachen mit leichtem Make Up, einfach einer Laune folgend, anziehen und frühstücken. Ein Erfolg auf ganzer Linie! So hätte es weitergehen können, sollen, wollen. Dann allerdings feststellen müssen, dass ich meine Wochenmedikation nicht stellen konnte, weil drei Tagesdosetten bei Arno im Zimmer lagen. Er war aber gerade in einer Schulung, also wollte ich nicht stören und wartete, bis ich in einer seiner Pausen in sein Zimmer konnte. In der Zwischenzeit hatte ich ein Telefonat mit meiner Schwester, klang da noch ganz munter und zuversichtlich. Aber dann dehnte sich die Zeit zu lange, ich kam nicht auf die Idee, mir meine Vielzahl an Tabletten für den Morgen einfach so zusammenzustellen und schon mal einzunehmen, ich war wie besessen von der Idee, die Medikamente erst dann zusammenzustellen, wenn alles dafür parat war. Stattdessen schrieb ich zwei Seiten für Westwind. Die Folge: meine Stimmung kippte ins Bodenlose. Gleichzeitig bekam ich Kopfschmerzen. Das zweite Gespräch mit meiner Schwester fiel dann auch gleich ganz anders aus. Ich zweifelte an, was ich in der Zwischenzeit geschrieben hatte, es wäre eh nicht gut, keiner würde es lesen wollen, ist doch völlig banal und Banane was und ob ich schreibe. Das tat alles sehr weh, meine Kopfschmerzen wurden schlimmer. Ich griff zur Lorazepam und verharrte den Rest des Tages in Schockstarre auf dem Sofa. Die Decke hochgezogen, den Fernseher weitestgehend ausgeschaltet. Der Kater lag im Sessel neben mir und ruhte ebenfalls. Jetzt geht es einigermaßen. Habe noch immer Kopfschmerzen, die sind aber abgemildert. Habe eben eine Ladung Klamotten inklusive Lederjacke bestellt. Ein posthumes Geschenk meines Vaters sozusagen. Ich bin traurig - und gleichzeitig neugierig und ein kleines bisschen Gabi freut sich sogar über die Bestellung. - Ich wünschte nur, dass es bald wieder mehr Tage ohne mein Bedarfsmedikament gibt. Das ich wieder mehr Stärke in mir selbst finde. Ich wünschte, ich wünschte. Mehr Kraft! Mehr Beständigkeit! Mehr Leichtigkeit! Mein Bedarf, mein Egalisierer. Meine Wunderwaffe in der Not.
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AutorMme Augenfisch, Jahrgang 74, lebt und liebt sowohl Mann als auch den Salonlöwen in Düsseldorf. Archiv
Dezember 2023
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