Ich habe gerade die Nachricht meiner Schwester gelesen, die sie gestern Abend geschickt hat.
Bin ich stabil? Nein, gar nicht. Gestern haben wir die Kammer ausgeräumt und das ganze Geraffel in mein Wohnzimmer verfrachtet. Jetzt liegt der Plunder da rum und verstopft meinen Lebensraum. Aber ich habe es ja selber so gewollt, habe diese Lösung vorgeschlagen, weil es die vernünftigste ist. Aber jetzt, wo ich das alles sehe, will ich es nicht mehr da haben. Will am liebsten alles wegschmeißen, aber unser Sperrmülltermin ist erst am 16 April. Nun ja, wenn die Arbeiten (der Austausch von Kammerfenster und Balkontür) abgeschlossen sind, und die Kammer wieder eingeräumt ist, dann wird es schon wieder etwas besser aussehen, aber im Augenblick ist mir der Anblick schier unerträglich. Eine Baustelle nach der anderen, ich komme nicht zur Ruhe. Und obwohl ich beim Ausräumen gut geholfen habe - um ehrlich zu sein, habe ich damit sogar angefangen - bin ich dann so gegen halb zehn Abends zusammengeklappt. Ich wollte aufstehen und in der Küche etwas zu Trinken sprudeln, aber ich habe es nicht geschafft, von der Couch aufzustehen. Mir fehlte einfach die Kraft dazu. Stattdessen flossen Tränen und ein kleiner hysterischer Anfall brach sich Bahn. So viel zur Stabilität. Ich spüre diese Kraftlosigkeit immer wieder, immer dann, wenn ich gerade nicht sagen kann oder überhaupt weiß, was ich will. Dann spricht mein Körper für mich. Dann setzt er sein Nein, indem er sich total verweigert. Und das kann mein Körper gut, sich verweigern. Nicht nur, in dem er mir die Energie nicht zur Verfügung stellt, die ich zur Erfüllung meiner Aufgaben benötige, auch sonst hat er mir gern und oft Knüppel zwischen die Beine geworfen. Aber das sind alte Kamellen, die ich hier nicht noch einmal erwähnen will. Nun fragt man sich - wieso schläft sie sich nicht aus? Wieso sich nicht die fehlende Energie aus dem Schlaf holen? Ich kann es nicht. Ich wache ein bis zwei Mal pro Nacht auf, bin todmüde, kann aber nicht schlafen. Dann setze ich mich an den Rechner, schreibe wie jetzt oder bestelle sinnloses Zeug. Solange bis ich wieder ins Bett wanken kann und weiterschlafe. Das ist keine gesunde Schlafhygiene, das ist kein gesunder Rhythmus. Aber ich kann es nicht ändern. Damit lebe ich zur Zeit. Alles kostet so viel Kraft. Kraft, die ich zur Zeit nicht habe. Ich komme mir vor wie ein Boxer, der der Länge nach auf dem Ringboden liegt, frisch ausgeknockt, der aber noch das Herunterzählen hören kann. 8.9.10. Der Kampf ist vorbei, der Gegner hat gewonnen. Doch wer ist mein Gegner? Keine Ahnung. Wirres Zeug in meinem Kopf. Ich geh wieder schlafen. Besser ist das. Good Night, Ladies. Good Night.
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Heute ist ein schwieriger Tag. Als ob nicht alle Tage schwierig wären zur Zeit, aber dieser hat es besonders in sich. Ich spüre den Kummer zentnerschwer auf der Brust liegen, er bewegt sich dort auch nicht fort. Dabei fing alles recht viel versprechend an. Die Dusche geschafft, die Haare geföhnt und ein ansehnliches Kleid übergeworfen. Von außen, auf den ersten, flüchtigen Blick, also alles hui.
Aber dann stürzte die Schwere auf mich nieder, presste mich in den Sessel, legte sich auf Brust und Magen und fing an, die Faust zusammenzupressen, in der ich gefangen war. Ich habe mich daran erinnert, dass jetzt, genau jetzt, der beste Moment wäre, meine Lorazepam einzuwerfen. Getan. Gewartet, dass sich die Wirkung entfaltet. Dann der Marsch durch das Tal der Tränen. Auf einmal waren sie um mich, die Geister all derjenigen, die mich so früh verlassen haben. Und immer wieder ging es um meine Mutter. Ich habe mich lange nicht mehr so hilflos gefühlt. Dann versiegten die Tränen und ich versteinerte wieder. Das Lorazepam wirkt jetzt. Ich bin wieder ruhiger, der Schmerz hat sich etwas gelichtet. Ich habe es geschafft, Musik anzustellen und zu schreiben. Ich versuche auf diese Weise etwas von dem Berg abzuarbeiten, unter dem ich begraben bin. Das Atmen fällt schwer, das Denken auch. Ich hangle mich jetzt an den Melodien entlang und versuche etwas Leichtigkeit zu erhaschen auf diese Weise. Es will nur nicht gelingen. Ich bin schon wieder im Tal der Tränen gelandet. Am besten ich schreibe den Tag endgültig ab. Ist egal. Ich habe lange schlafen können und bin danach tatsächlich wach gewesen. Habe eine Maschine Wäsche angemacht und Croissants aufgebacken. Danach tatsächlich gefrühstückt und einen Kaffee getrunken. Und bin immer noch wach. Im Vergleich zu gestern ist das eine reife Leistung und ich bin versucht, übermütig zu werden. Aber dann kommt das Denken dazu und hemmt alles. Ich weiß nicht was tun? Wohin mich wenden? Ich sollte meinen Diabetologen anrufen und einen Termin ausmachen. Ich schaff es nicht. Allein die Vorstellung den Weg auf mich zu nehmen, graust mir.
Ich denke immer, ich sollte etwas machen. Vielleicht die Yogamatte ausrollen und einfach machen. Ganz langsam. Ganz ohne Druck. Vielleicht sollte ich es einfach ausprobieren. Kein Vielleicht mehr. Ich versuch's einfach. Mehr als weinen, wenn's nicht klappt, kann ja nicht passieren. Oder? Was Schönes zum Schluss? Tulpenköpfchen, die sich nach oben strecken... ... so unendlich müde. Heute ist so ein Tag, an dem ich, eingekapselt wie eine Muschel, in meinem Sessel sitze und nichts machen kann, noch nicht einmal die Augen offen halten. Ständig drifte ich ins Halbwache Sein ab, manchmal auch tiefer hinein ins komatös anmutende Nichtmehr Sein. Mein Kater liegt auf meinem Schoß oder auf dem Hocker neben mir und wacht über mich.
Es ist jetzt 15 Uhr, ich bin in die Küche gewandert und habe mir etwas zu trinken geholt. Eine Großtat. Aber sie hat mich dazu gebracht, mich an den Rechner zu setzen und diese Zeilen zu schreiben. Da könnte ich glatt dankbar für sein, wenn das nicht so viel Energie kosten würde. Das ist so ein Tag, an dem ich fürchterlich kraftlos bin. Kaum schaffe ich es, die Hände oben zu halten, die Arme anzuwinkeln und das hier zu schreiben. Aber ich habe das dringende Bedürfnis, gehört zu werden. Ich möchte, dass derjenige, der das hier liest, versteht, wie sich Depression anfühlen kann. Im letzten Post habe ich geschrieben, dass es bestimmt wieder besser gehen wird. Im Augenblick kann ich diese Zuversicht nicht teilen. Im Augenblick spüre ich nur einen großen Schmerz, der wie ein Zapfen von meinem Kopf bis hinein in den Solarplexus reicht. Dabei ist er gar nicht einmal radikal aggressiv. Er hat sich eher gemächlich in mir eingenistet und saugt alle Willenskraft aus mir heraus. Bon appetit. Und jetzt will ich mich wieder zurückziehen, erneut einkapseln. Alles ausblenden. Die Wirklichkeit wird mich heute um halb sechs einholen, wenn wir einkaufen gehen werden. Ich will nicht. Aber ich muss. Zum Abschluss noch etwas Schönes: Das Leben sprießt, knospt und blüht. Vielleicht kann ich ja doch noch etwas Hoffnung erübrigen... Ich bin zur Zeit so zerrissen wie lange nicht mehr. Jedes Muss setzt mich unter Druck, gleichzeitig kann ich das Nichtstun nicht ertragen. Also stelle ich mich in die Küche und backe Brot - weil ich das noch nicht oft gemacht habe und mich ausprobieren will. Oder Kuchen, aus den gleichen Gründen. Das tägliche Kochen hingegen ist wie ein Mühlstein, der um meinen Hals hängt.
Ich kann das Fernsehprogramm nicht wirklich mit Freude genießen, aber die Stille ist viel schlimmer zu ertragen. Ich will machen, kann es aber nicht und dann kommt der Moment, an dem ich der Welt den Rücken zudrehe, mich ins Bett oder auf die Couch verfüge und die Augen zu mache, in der Hoffnung, dass alles wieder besser wird, wenn ich sie wieder öffne. Hin und her heißt, in der Mitte stecken zu bleiben, in einem Pfuhl aus Matsch und Dreck und zähem Boden. Ich schreibe diesen Text an meinem neuen Rechner, der über einen ebenfalls neuen Monitor sein Können in die Welt strahlt. Der Monitor ist gerade eben geliefert worden. Eigentlich sollte ich glücklich sein, endlich sitze ich nicht mehr auf dem Boden vor dem Fernseher, der als Ersatzmonitor gedient hatte, sondern auf meinem Schreibtischstuhl, der meinem verlängerten Rücken so gut tut. Diese Erleichterung ist tatsächlich seidengleich zu spüren. Ansonsten aber ist da keine besondere Freude. Verdammt, ich kann mich kaum noch freuen. Ich nehme die Dinge hin, ob sie geschehen oder nicht, es scheint egal zu sein. Das macht mich aber traurig, denn ich denke dann, dass ich undankbar bin für das Leben, das ich habe. Denn das ist gut. Mein Denken ist zerfasert oder statisch, ich komm gerade nicht mehr mit. Entweder zu schnell, zu sprunghaft oder viel zu langsam. Und Witze finde ich nicht mehr komisch. Denn mir fehlt zu mindestens jetzt die Leichtigkeit über diese Possen zu lachen. Ich suche den tieferen Sinn dahinter, finde ihn nicht und bin enttäuscht. Es wird wieder besser werden. Es ist bislang immer besser geworden. Ich will aufhören mit dem Jammern. Das macht mich nur noch aggressiver mir selbst gegenüber. Ich will wieder an die Sonne denken. Vielleicht gehe ich jetzt nochmal raus... Seit etwas mehr als einer Woche beginnt es wieder - das Zuziehen, die Kopfblindheit, die Einsamkeit. Mein Gemüt verfärbt sich anthrazit und geröllhaldig. Ich versteinere und drohe doch zu zerbrechen. Der ruhige lange Fluß zeigt seine Stromschnellen. Stromschnellen, die meine Gemütslage herumreissen - oder Untiefen, wo ich drohe auf Sand zu laufen, festzustecken, inmitten all des Graus.
Ich versuche, mich an meinem Schopf aus dem Schlamm zu ziehen, doch das Leben hält mir nicht die münchhausener Kanonenkugel bereit, auf der ich davonfliege. Es klappt nicht, meine Arme sind zu schwach. Diese Schwäche kriecht durch den ganzen Körper, infiziert jede Zelle und wispert: Du kannst nichts, du bist nichts, du schaffst nichts. Ich kann nicht mal die Fäuste heben, die Deckung halten oder zu einem Schwinger ansetzen, um diese Stimme zum Schweigen zu bringen. Ich bin heute in der Sonne unterwegs gewesen. Gestern auch. Aber es bringt nur kurzfristige Linderung, heute sogar kaum eine. Ich könnte die ganze Zeit schlafen, nur um desorientiert und traurig aufzuwachen. Hilflos. Ich fühle mich gerade ziemlich schwach und hilflos. Und allein. Obwohl mein Holder nebenan sitzt und mir eben noch einen Kaffee gebracht hat - das ist doch verrückt. Ich bin nicht allein, der Kater schnürt durchs Wohnzimmer und rennt den Flur entlang - ich bin also nicht allein. Nur das Gefühl, die Empfindung an sich - die gaukelt mir etwas anderes vor. Hilfe. |
AutorMme Augenfisch, Jahrgang 74, lebt und liebt sowohl Mann als auch den Salonlöwen in Düsseldorf. Archiv
Dezember 2023
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