Das diesjährige Weihnachtsfest lässt viele offene Fragen zurück. Warum, zum Beispiel, fällt es mir nicht schwer meinen Kunden im Beruf eine frohe Weihnacht zu wünschen, aber in meinem Privatleben schon? So schwer, dass ich diesmal noch nicht mal über Facebook, das ich als Teil meines Wohnzimmers empfinde, in dem sich Freunde, Bekannte und Verwandte tummeln, den obligatorischen Weihnachtsgruß in die Welt geschickt habe. Stattdessen gab es bislang die ergebnisorientierte Doku - was gab es als Gaben, was gab es zu Essen, was gab es zu sehen - aber eben nicht den Inhalt, den Grund, worum es geht. Den Weihnachsfrieden.
Warum? Weil er sich bei mir nicht einstellen will. Und warum? Gestern morgen gab es erst die Kochorgie für den Weihnachtsbraten. Danach, als der fertig war und alles ganz wundervoll duftete, rollten bei mir die Tränen. Ich weinte um meine Mutter, der Weihnachten so wichtig war, die mit ihrem Baum immer um die Wette gestrahlt und gefunkelt hatte und die nun einfach nicht mehr da ist. Drei ganze lange Jahre. Drei Weihnachten. Sie hätte unser diesjähriges Weihnachten nicht gemocht. Da bin ich mir sicher. Ich weinte um meine nie geborenen Kinder, von der Natur nie vorgesehen, denen ich keine Weihnachtstraditionen mitgeben kann. Schließlich fragte ich mich, warum ich das alles so machte. Und zwar so, wie ich es machte. Baum schmücken am Heiligabend - ja, kaum, dass ich die Arbeit hab fallen lassen, haben wir die kleine Zuckerfichte bunt geschmückt. Ja, bunt, in allen Farben, die die Kugeln hergaben. Um gegen dieses graue Covid-Weihnachten gegenanzustinken. Auch wenn die Zahlen weiter hoch sind, auch wenn die Zahl der Toten steigt, wir sind verdammt noch mal fröhlich! Erkennt ihr die Bitterkeit, die in mir mitschwingt? Spaziergang um zwei, Bescherung um vier, Essen um sechs. Man freut sich über Musik, einen Ring, Bücher, eine Vogelkette aus Blech in bunt und liebevoll, Gutscheine fürs A und I. Man freut sich darüber, dass die Schwestern an uns gedacht haben - die des Holden und meine. Ein missglücktes Ukulelen Konzert aus 1 1/4 Songs. All das in Weihnachtsfrautracht. Alles heiter Sonnenschein und so fröhlich. Und tief in mir drin fragt es sich: darf ich das überhaupt? Fröhlich sein? Und vor allem - will ich das überhaupt? Ein Teil von mir will nicht. Ein Teil von mir ist erschöpft von der Adventszeit, von der Vorfreude, von der stimmungsvollen Beleuchtung. Ein Teil von mir ist enttäuscht, dass er den Heiligabend nicht als heitere Krönung all dessen erlebt hat. Ein Teil von mir weint um die Familie, die sich für meinen Teil auf meine Schwester reduziert hat und die ich nicht sehen kann - weder im Advent und wahrscheinlich auch nicht zu meinem Geburtstag im Januar. Ich weine um meine Kinderlosigkeit, die mir gerade jetzt wieder vor die Füße fällt. Ich weine um das Jahr, das hinter uns liegt. Covid 19 hat mich zum Einsiedler gemacht, hat mir die Wahl genommen daheim zu bleiben oder nicht, jetzt heisst es einfach da zu bleiben, social distancing at its best. Das wir - selten zwar, dann aber doch - in den Park gehen, gleicht einem trotzigen Ausbruch mit dem Willen und Drang, Frischluft zu konsumieren und vor allem, die Beine auszustrecken und zu gehen. Einfach nur gehen. Sich bewegen. Etwas, das man sonst nur einmal in der Woche, bei dem nötigen Einkauf erlebt. Covid 19 fühlt sich für mich an wie stillhalten, wegducken, aus dem Weg gehen, Misstrauen anderen gegenüber. Trennung von Freunden und Bekannten. Ich kann glücklich sein, dass ich den Holden so liebe und schätze, dass ich sein Fangirl bin und dass er mich liebt. Jetzt mit jemandem zusammen sein zu müssen, der sich nicht beherrschen kann, muss das schlimmste sein, was ich mir vorstellen kann. Dafür kenne ich das Phänomen häuslicher Gewalt nur zu gut. Und genau hier sollte ich mir mal alles in den Sinn rufen, dass mich dann Weihnachten doch wieder mögen lässt. Wollen lässt. Warum ich Weihnachten brauche. Ich weiß nicht mehr ob meine Schwester oder mein Holder mir sagte, dass Weihnachten eine Zäsur im Jahr bildet. Ein Punkt, der das Jahresende markiert. Brauch ich also. Für den hoffnungsvollen Ausblick auf das nächste Jahr. Die Traditionen - erinnern mich an meine Kindheit. Bringen mich meiner Mutter wieder näher. So fern ist sie nicht, ich kann immer noch mit ihr sprechen, über Rezepte fachsimpeln, mich daran erinnern, wie ich in ihrer Kühe unser Weihnachtsmenü zaubern durfte und sie das erste Mal Nussbraten gegessen hat. Ich muss es nur zulassen. Ich muss sie nur zulassen und sie willkommen heissen. Die Traditionen - und diesmal war es der Holde der das sagte - sind für uns. Denn wir sind ja auch wichtig. Wir sind da. Und wir dürfen uns in und mit den Traditionen wohlfühlen. Sie strukturieren das Fest für uns. Traditionen müssen nicht nur gelebt um weitergegeben zu werden. Sie wollen zelebriert sein. Und dann gibt es da doch soviel, über das ich mich freuen kann. Der Holde freut sich über sein Themengeschenk Musik, ich freue mich über einen kleinen Stern am Finger, das Essen war gut und wird gut bleiben. Ich habe die Anrufe von Marga und Steffi genossen. Und vielleicht gehen wir heute doch noch mal raus. Durch den Park. Oder diesmal zum Rhein. Oder in den Japanischen Garten. Und die Freude darf auch mal auf leiser Flamme lodern. Es muss gar nicht immer der riesige Rausch sein. So ein bisschen altmodische, leise Liebe, ein Schwelbrand der Zuneigung und Hingabe - das ist so schlecht nicht. Ganz im Gegenteil. So gesehen - weniger Lametta dies Jahr, aber trotzdem ist alles gut. Irgendwie anders, aber von Grund auf gut.
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AutorMme Augenfisch, Jahrgang 74, lebt und liebt sowohl Mann als auch den Salonlöwen in Düsseldorf. Archiv
Dezember 2023
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