Wofür lohnt es sich zu sein? Warum das Leben wählen? Ich glaube, für mich ist es das Lachen, das meine Existenz wertvoll macht. Aber im Augenblick lache ich nicht viel oder oft oder laut oder herzhaft. Ich möchte es gerne, aber ich schaffe es kaum aus mir selbst heraus. Meine Schwester schafft es immer wieder, mir diese leichten Momente zu schenken, mein Holder auch hin und wieder. Aber oftmals sehe ich in den Spiegel, sehe diese unendliche Traurigkeit, die in den Augenringen lauert und frage mich, wie ich die wohl wieder vertreiben kann. Aber sie ist hartnäckig, klebrig, stark haftend. Und sie hat eine Verbündete im Gepäck - die Hoffnungslosigkeit. Jetzt, in Woche 4 habe ich noch keinen Plan, wie ich diesen Zustand in den Griff bekommen kann.
Dabei ist heute so ein Tag, an dem eigentlich nichts doof ist. So von außen gesehen. Von innen gesehen könnte ich den ganzen Tag schlafen, den Umstand verdrängen, dass meine Mutter heute Geburtstag hätte und ich oder der Holde und ich zu ihren Ehren irgendwo in Europa unterwegs wären - Strasbourg, Den Haag, Lüttich. Dabei möchte ich raus, möchte irgendetwas zu ihrem Gedenken tun, aber es gibt ja nichts was man tun könnte. Vielleicht zum Rhein gehen? An fließendes Wasser? Das wäre vielleicht eine Möglichkeit. Wie sehr wünschte ich mir, dass ich in irgendein Café flüchten könnte und dort einen prima Mutter- Tochter- Talk hielte. In aller Stille. Ich wünschte, wünschte, wünschte...
0 Comments
Nach zwei Tagen Video Tagebuch, zurück zum guten alten Blog. Das hält mehr fest als den puren Augenblick. Nehmen wir gestern zum Beispiel - ich hatte einigermaßen gut geschlafen, Aufstehen, fertigmachen, anziehen, anhübschen - all' das hatte geklappt und ich bin euphorisiert in den Hofgarten marschiert. Wieder zurück, teilte ich den Besuchern meiner Facebook Seite per Video mit, dass es mir gut ginge, dass ich hoffnungsvoll in die Zukunft blickte und all so was. Das stimmte auch so, in diesem Augenblick.
Mittags habe ich dann entdeckt, dass Oscar sich auf meinem Kopfkissen erbrochen hatte - schlimm genug für den Lütten, da gab es keinen Zorn von meiner Seite. Also Bettwäsche wechseln, reinigen. Gesagt, getan, ich fand aber kein passendes Set im Schrank vor, stattdessen nur Chaos und lauter Uralt Einzelsets - und geriet darob in einen hysterischen Anfall. Am Schluss haben wir dann doch ein Set zusammengefunden, das Bettzeug neu bezogen. Ich lag aus tiefster Seele heulend darinnen, denn beim Beziehen merkte ich, wie der Reißverschluss aus Altersgründen nachgab. Es war nicht perfekt. Es war nicht so, wie ich es mir gewünscht hatte. Und schon bin ich wieder zusammengeklappt. Am Schluss war ich von mir selbst enttäuscht, dass ich nicht über den Dingen gestanden habe. Dass meine ganze positive Energie vom Morgen sich an lumpiger Bettwäsche erschöpft hatte. Ich musste eine Bedarfstablette nehmen. Habe dann aber später am Abend das Fernsehprogramm abgebrochen und bin ins Bett gegangen. Ich bin jetzt zum dritten Mal aufgewacht und dachte mir - okay, dann bleibe ich jetzt wach. Dabei bin ich eigentlich tierisch müde. Aber dieses ständige rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln nervt einfach nur. Ich weiß nicht, wie der Tag werden wird. Ist mir auch gerade scheißegal. Hauptsache er geht rum. ... Zurück aus dem Bad, wieder etwas angehübscht, immer noch nicht wissend, wie es weitergeht, wahrscheinlich erstmal den Kater füttern, aber was dann? Mir fehlt die Inspiration, mir fehlt die Konzentration, mir fehlt die Motivation. Und zu alledem: meine Mutter hätte morgen Geburtstag gehabt. Wir hätten das Leben gefeiert. Ist nicht mehr... Sie fehlt mir. So kam ich mir heute vor. Nach einer Nacht, die man auch wohlmeinend nur als suboptimal bezeichnen könnte, schlief ich bis in den halben Vormittag hinein. Danach Dusche, Zurechtmachen mit leichtem Make Up, einfach einer Laune folgend, anziehen und frühstücken. Ein Erfolg auf ganzer Linie! So hätte es weitergehen können, sollen, wollen. Dann allerdings feststellen müssen, dass ich meine Wochenmedikation nicht stellen konnte, weil drei Tagesdosetten bei Arno im Zimmer lagen. Er war aber gerade in einer Schulung, also wollte ich nicht stören und wartete, bis ich in einer seiner Pausen in sein Zimmer konnte. In der Zwischenzeit hatte ich ein Telefonat mit meiner Schwester, klang da noch ganz munter und zuversichtlich. Aber dann dehnte sich die Zeit zu lange, ich kam nicht auf die Idee, mir meine Vielzahl an Tabletten für den Morgen einfach so zusammenzustellen und schon mal einzunehmen, ich war wie besessen von der Idee, die Medikamente erst dann zusammenzustellen, wenn alles dafür parat war. Stattdessen schrieb ich zwei Seiten für Westwind. Die Folge: meine Stimmung kippte ins Bodenlose. Gleichzeitig bekam ich Kopfschmerzen. Das zweite Gespräch mit meiner Schwester fiel dann auch gleich ganz anders aus. Ich zweifelte an, was ich in der Zwischenzeit geschrieben hatte, es wäre eh nicht gut, keiner würde es lesen wollen, ist doch völlig banal und Banane was und ob ich schreibe. Das tat alles sehr weh, meine Kopfschmerzen wurden schlimmer. Ich griff zur Lorazepam und verharrte den Rest des Tages in Schockstarre auf dem Sofa. Die Decke hochgezogen, den Fernseher weitestgehend ausgeschaltet. Der Kater lag im Sessel neben mir und ruhte ebenfalls. Jetzt geht es einigermaßen. Habe noch immer Kopfschmerzen, die sind aber abgemildert. Habe eben eine Ladung Klamotten inklusive Lederjacke bestellt. Ein posthumes Geschenk meines Vaters sozusagen. Ich bin traurig - und gleichzeitig neugierig und ein kleines bisschen Gabi freut sich sogar über die Bestellung. - Ich wünschte nur, dass es bald wieder mehr Tage ohne mein Bedarfsmedikament gibt. Das ich wieder mehr Stärke in mir selbst finde. Ich wünschte, ich wünschte. Mehr Kraft! Mehr Beständigkeit! Mehr Leichtigkeit! Mein Bedarf, mein Egalisierer. Meine Wunderwaffe in der Not.
Ich habe gerade die Nachricht meiner Schwester gelesen, die sie gestern Abend geschickt hat.
Bin ich stabil? Nein, gar nicht. Gestern haben wir die Kammer ausgeräumt und das ganze Geraffel in mein Wohnzimmer verfrachtet. Jetzt liegt der Plunder da rum und verstopft meinen Lebensraum. Aber ich habe es ja selber so gewollt, habe diese Lösung vorgeschlagen, weil es die vernünftigste ist. Aber jetzt, wo ich das alles sehe, will ich es nicht mehr da haben. Will am liebsten alles wegschmeißen, aber unser Sperrmülltermin ist erst am 16 April. Nun ja, wenn die Arbeiten (der Austausch von Kammerfenster und Balkontür) abgeschlossen sind, und die Kammer wieder eingeräumt ist, dann wird es schon wieder etwas besser aussehen, aber im Augenblick ist mir der Anblick schier unerträglich. Eine Baustelle nach der anderen, ich komme nicht zur Ruhe. Und obwohl ich beim Ausräumen gut geholfen habe - um ehrlich zu sein, habe ich damit sogar angefangen - bin ich dann so gegen halb zehn Abends zusammengeklappt. Ich wollte aufstehen und in der Küche etwas zu Trinken sprudeln, aber ich habe es nicht geschafft, von der Couch aufzustehen. Mir fehlte einfach die Kraft dazu. Stattdessen flossen Tränen und ein kleiner hysterischer Anfall brach sich Bahn. So viel zur Stabilität. Ich spüre diese Kraftlosigkeit immer wieder, immer dann, wenn ich gerade nicht sagen kann oder überhaupt weiß, was ich will. Dann spricht mein Körper für mich. Dann setzt er sein Nein, indem er sich total verweigert. Und das kann mein Körper gut, sich verweigern. Nicht nur, in dem er mir die Energie nicht zur Verfügung stellt, die ich zur Erfüllung meiner Aufgaben benötige, auch sonst hat er mir gern und oft Knüppel zwischen die Beine geworfen. Aber das sind alte Kamellen, die ich hier nicht noch einmal erwähnen will. Nun fragt man sich - wieso schläft sie sich nicht aus? Wieso sich nicht die fehlende Energie aus dem Schlaf holen? Ich kann es nicht. Ich wache ein bis zwei Mal pro Nacht auf, bin todmüde, kann aber nicht schlafen. Dann setze ich mich an den Rechner, schreibe wie jetzt oder bestelle sinnloses Zeug. Solange bis ich wieder ins Bett wanken kann und weiterschlafe. Das ist keine gesunde Schlafhygiene, das ist kein gesunder Rhythmus. Aber ich kann es nicht ändern. Damit lebe ich zur Zeit. Alles kostet so viel Kraft. Kraft, die ich zur Zeit nicht habe. Ich komme mir vor wie ein Boxer, der der Länge nach auf dem Ringboden liegt, frisch ausgeknockt, der aber noch das Herunterzählen hören kann. 8.9.10. Der Kampf ist vorbei, der Gegner hat gewonnen. Doch wer ist mein Gegner? Keine Ahnung. Wirres Zeug in meinem Kopf. Ich geh wieder schlafen. Besser ist das. Good Night, Ladies. Good Night. Heute ist ein schwieriger Tag. Als ob nicht alle Tage schwierig wären zur Zeit, aber dieser hat es besonders in sich. Ich spüre den Kummer zentnerschwer auf der Brust liegen, er bewegt sich dort auch nicht fort. Dabei fing alles recht viel versprechend an. Die Dusche geschafft, die Haare geföhnt und ein ansehnliches Kleid übergeworfen. Von außen, auf den ersten, flüchtigen Blick, also alles hui.
Aber dann stürzte die Schwere auf mich nieder, presste mich in den Sessel, legte sich auf Brust und Magen und fing an, die Faust zusammenzupressen, in der ich gefangen war. Ich habe mich daran erinnert, dass jetzt, genau jetzt, der beste Moment wäre, meine Lorazepam einzuwerfen. Getan. Gewartet, dass sich die Wirkung entfaltet. Dann der Marsch durch das Tal der Tränen. Auf einmal waren sie um mich, die Geister all derjenigen, die mich so früh verlassen haben. Und immer wieder ging es um meine Mutter. Ich habe mich lange nicht mehr so hilflos gefühlt. Dann versiegten die Tränen und ich versteinerte wieder. Das Lorazepam wirkt jetzt. Ich bin wieder ruhiger, der Schmerz hat sich etwas gelichtet. Ich habe es geschafft, Musik anzustellen und zu schreiben. Ich versuche auf diese Weise etwas von dem Berg abzuarbeiten, unter dem ich begraben bin. Das Atmen fällt schwer, das Denken auch. Ich hangle mich jetzt an den Melodien entlang und versuche etwas Leichtigkeit zu erhaschen auf diese Weise. Es will nur nicht gelingen. Ich bin schon wieder im Tal der Tränen gelandet. Am besten ich schreibe den Tag endgültig ab. Ist egal. Ich habe lange schlafen können und bin danach tatsächlich wach gewesen. Habe eine Maschine Wäsche angemacht und Croissants aufgebacken. Danach tatsächlich gefrühstückt und einen Kaffee getrunken. Und bin immer noch wach. Im Vergleich zu gestern ist das eine reife Leistung und ich bin versucht, übermütig zu werden. Aber dann kommt das Denken dazu und hemmt alles. Ich weiß nicht was tun? Wohin mich wenden? Ich sollte meinen Diabetologen anrufen und einen Termin ausmachen. Ich schaff es nicht. Allein die Vorstellung den Weg auf mich zu nehmen, graust mir.
Ich denke immer, ich sollte etwas machen. Vielleicht die Yogamatte ausrollen und einfach machen. Ganz langsam. Ganz ohne Druck. Vielleicht sollte ich es einfach ausprobieren. Kein Vielleicht mehr. Ich versuch's einfach. Mehr als weinen, wenn's nicht klappt, kann ja nicht passieren. Oder? Was Schönes zum Schluss? Tulpenköpfchen, die sich nach oben strecken... ... so unendlich müde. Heute ist so ein Tag, an dem ich, eingekapselt wie eine Muschel, in meinem Sessel sitze und nichts machen kann, noch nicht einmal die Augen offen halten. Ständig drifte ich ins Halbwache Sein ab, manchmal auch tiefer hinein ins komatös anmutende Nichtmehr Sein. Mein Kater liegt auf meinem Schoß oder auf dem Hocker neben mir und wacht über mich.
Es ist jetzt 15 Uhr, ich bin in die Küche gewandert und habe mir etwas zu trinken geholt. Eine Großtat. Aber sie hat mich dazu gebracht, mich an den Rechner zu setzen und diese Zeilen zu schreiben. Da könnte ich glatt dankbar für sein, wenn das nicht so viel Energie kosten würde. Das ist so ein Tag, an dem ich fürchterlich kraftlos bin. Kaum schaffe ich es, die Hände oben zu halten, die Arme anzuwinkeln und das hier zu schreiben. Aber ich habe das dringende Bedürfnis, gehört zu werden. Ich möchte, dass derjenige, der das hier liest, versteht, wie sich Depression anfühlen kann. Im letzten Post habe ich geschrieben, dass es bestimmt wieder besser gehen wird. Im Augenblick kann ich diese Zuversicht nicht teilen. Im Augenblick spüre ich nur einen großen Schmerz, der wie ein Zapfen von meinem Kopf bis hinein in den Solarplexus reicht. Dabei ist er gar nicht einmal radikal aggressiv. Er hat sich eher gemächlich in mir eingenistet und saugt alle Willenskraft aus mir heraus. Bon appetit. Und jetzt will ich mich wieder zurückziehen, erneut einkapseln. Alles ausblenden. Die Wirklichkeit wird mich heute um halb sechs einholen, wenn wir einkaufen gehen werden. Ich will nicht. Aber ich muss. Zum Abschluss noch etwas Schönes: Das Leben sprießt, knospt und blüht. Vielleicht kann ich ja doch noch etwas Hoffnung erübrigen... Ich bin zur Zeit so zerrissen wie lange nicht mehr. Jedes Muss setzt mich unter Druck, gleichzeitig kann ich das Nichtstun nicht ertragen. Also stelle ich mich in die Küche und backe Brot - weil ich das noch nicht oft gemacht habe und mich ausprobieren will. Oder Kuchen, aus den gleichen Gründen. Das tägliche Kochen hingegen ist wie ein Mühlstein, der um meinen Hals hängt.
Ich kann das Fernsehprogramm nicht wirklich mit Freude genießen, aber die Stille ist viel schlimmer zu ertragen. Ich will machen, kann es aber nicht und dann kommt der Moment, an dem ich der Welt den Rücken zudrehe, mich ins Bett oder auf die Couch verfüge und die Augen zu mache, in der Hoffnung, dass alles wieder besser wird, wenn ich sie wieder öffne. Hin und her heißt, in der Mitte stecken zu bleiben, in einem Pfuhl aus Matsch und Dreck und zähem Boden. Ich schreibe diesen Text an meinem neuen Rechner, der über einen ebenfalls neuen Monitor sein Können in die Welt strahlt. Der Monitor ist gerade eben geliefert worden. Eigentlich sollte ich glücklich sein, endlich sitze ich nicht mehr auf dem Boden vor dem Fernseher, der als Ersatzmonitor gedient hatte, sondern auf meinem Schreibtischstuhl, der meinem verlängerten Rücken so gut tut. Diese Erleichterung ist tatsächlich seidengleich zu spüren. Ansonsten aber ist da keine besondere Freude. Verdammt, ich kann mich kaum noch freuen. Ich nehme die Dinge hin, ob sie geschehen oder nicht, es scheint egal zu sein. Das macht mich aber traurig, denn ich denke dann, dass ich undankbar bin für das Leben, das ich habe. Denn das ist gut. Mein Denken ist zerfasert oder statisch, ich komm gerade nicht mehr mit. Entweder zu schnell, zu sprunghaft oder viel zu langsam. Und Witze finde ich nicht mehr komisch. Denn mir fehlt zu mindestens jetzt die Leichtigkeit über diese Possen zu lachen. Ich suche den tieferen Sinn dahinter, finde ihn nicht und bin enttäuscht. Es wird wieder besser werden. Es ist bislang immer besser geworden. Ich will aufhören mit dem Jammern. Das macht mich nur noch aggressiver mir selbst gegenüber. Ich will wieder an die Sonne denken. Vielleicht gehe ich jetzt nochmal raus... Seit etwas mehr als einer Woche beginnt es wieder - das Zuziehen, die Kopfblindheit, die Einsamkeit. Mein Gemüt verfärbt sich anthrazit und geröllhaldig. Ich versteinere und drohe doch zu zerbrechen. Der ruhige lange Fluß zeigt seine Stromschnellen. Stromschnellen, die meine Gemütslage herumreissen - oder Untiefen, wo ich drohe auf Sand zu laufen, festzustecken, inmitten all des Graus.
Ich versuche, mich an meinem Schopf aus dem Schlamm zu ziehen, doch das Leben hält mir nicht die münchhausener Kanonenkugel bereit, auf der ich davonfliege. Es klappt nicht, meine Arme sind zu schwach. Diese Schwäche kriecht durch den ganzen Körper, infiziert jede Zelle und wispert: Du kannst nichts, du bist nichts, du schaffst nichts. Ich kann nicht mal die Fäuste heben, die Deckung halten oder zu einem Schwinger ansetzen, um diese Stimme zum Schweigen zu bringen. Ich bin heute in der Sonne unterwegs gewesen. Gestern auch. Aber es bringt nur kurzfristige Linderung, heute sogar kaum eine. Ich könnte die ganze Zeit schlafen, nur um desorientiert und traurig aufzuwachen. Hilflos. Ich fühle mich gerade ziemlich schwach und hilflos. Und allein. Obwohl mein Holder nebenan sitzt und mir eben noch einen Kaffee gebracht hat - das ist doch verrückt. Ich bin nicht allein, der Kater schnürt durchs Wohnzimmer und rennt den Flur entlang - ich bin also nicht allein. Nur das Gefühl, die Empfindung an sich - die gaukelt mir etwas anderes vor. Hilfe. So kommt es mir zumindestens zur Zeit vor. Mein Leben geht seinen geregelten Gang, wir arbeiten vor uns hin, der Holde und ich verstehen uns gut, versorgen uns wechselseitig mit Kaffee und einem offenen Ohr. Wir gehen zum Einkaufen hinaus, verbringen ansonsten die Zeit zu Hause mit den Dingen, die wir schon immer getan haben - Fernsehen, Musik hören, lesen, schreiben. Bei mir ist die Ukulele dazu gekommen, zwar nicht so exsessiv wie anfangs gedacht, aber immer wieder mal. Sehr selten sehen wir Freunde, aber wenn, dann ist das schöner noch als vor Corona. Es ist als ob jeder das Beieinander sein mehr schätzen würde. Gestern haben wir mit Eva Pizza gemacht und sind dreimal in die Küche prozessiert um Nachschlag zu holen. Und dabei haben wir über alles mögliche gesprochen und hin und wieder einfach nur geblödelt. Das sind die Momente, die mir besonders auffallen. Denn der Holde und ich verstehen uns oftmals stumm. Das ist zwar auf der einen Seite sehr schön, aber audiotechnisch doch recht eintönig. Und dann einfach nur mit anderen zu lachen, die Freude ins Hörbare umgewandelt erleben, das ist schon was. Am Sonntag erwarte ich noch zwei liebe Freunde, während der Holde ausser Haus seine Mutter besucht. Ich werde einen Konfetti- Blechkuchen machen und mich auf die beiden freuen. Und danach werde ich wahrscheinlich für Wochen wieder keinen Besuch haben oder machen. Und es wird gut sein. Dafür habe ich die letzten Besuche abgespeichert in meinem Herzen und in meiner Erinnerung. Ansonsten gibt es Lob über meine Arbeit, was sowohl die Arbeit an sich betrifft als auch das Hobby. Während ich den Lohn und Brot Beruf einfach mal für sich stehen lasse, möchte ich dagegen gerne mehr auf das Hobby eingehen. Da gibt es jemanden der die Anthologie "Unsere Freunde von Epsilon Eridanus" gelesen hat und das ganze a) für ein gutes Buch hielt und b) anmerkte, dass "Gabi immer besser wird". Das lässt mein Herz seit gestern ganz gewaltig hüpfen, einfach weil ich "Meerwasser" sehr, sehr gern habe. In welcher Geschichte wird schon der weibliche Orgasmus thematisiert? Als Erstkontakt zwischen einem Menschen und ... Wasser. Beseeltem Wasser eben. "Salzgras & Lavendel" stecken gerade mitten in einer Leserunde und alles was dort widergegeben wird, spiegelt wieder, dass mich die Leute verstehen. Dass sie meinen Text verstehen. Sie gehen mit der Hauptfigur mit, haben Mitleid, fürchten seinen Gegenspieler. Es funktioniert also. Zudem hat Marianne Labisch eine sehr ausführliche Rezi geschrieben und mir 5 von 5 Sternchen vergeben. Ich bin entzückt. Herz, was willst du also mehr? Im Augenblick nichts. Im Augenblick bin ich durch und durch zufrieden. Und das ist gut so. Und berechtigt. In diesem Sinne verwandle ich mich in ein Laubblatt, das auf einem großen trägen Fluss dem Meer entgegentreibt. Ich lasse für den Augenblick einfach mal los. Und atme tief durch. PS. Jaja, schon wieder eine neue Brille. Aber diesmal ist es die letzte, ich schwör's!
|
AutorMme Augenfisch, Jahrgang 74, lebt und liebt sowohl Mann als auch den Salonlöwen in Düsseldorf. Archiv
Dezember 2023
Kategorien
Alle
|